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Was ich berühre, zerfällt.*
Franz Kafka beschreibt in dieser Notiz eine grundlegende Erfahrung von Vergänglichkeit. Sie spielt in meiner bildnerischen Arbeit eine zentrale Rolle — als Idee und als Haltung gegenüber dem Material aus dem meine Bilder gemacht sind.

Ein Bild ist ja erstmal keine Idee, sondern die Suggestivkräfte des Materials entfachen dessen imaginatives Potential. Insofern sind Bilder immer erst Material. Jutta Koether nennt das leibhaftige Malerei.

Ich spiele, malend, mit den Verfallsprozessen des Materials. Daraus wird dann das, was ich hier versuche als „meine Malerei“ zu beschreiben.
Ölfarbe, ölhaltige Kreiden und wachshaltige Pastelle werden auf das Papier aufgetragen, in schnellen und manchmal gestischen Zügen. Dann werden diese mit wässrigen Techniken, verdünntem Acryl, schwarzen und farbigen Tuschen und Aquarellfarben bearbeitet, regelrecht darin eingeweicht. Zum trocknen wird das Papier auf eine glatte Oberfläche aufgezogen.
Manches Mal hängt das Gelingen eines Bildes davon ab, wie weit das Spiel mit dem Zerfall der Materialien, in denen es hergestellt wird, getrieben wurde. Wie lange kann man ein Blatt Papier in mit Tusche eingefärbtem Wasser liegen lassen ohne dass es am ende Matsch ist?

Ich hätte an dieser Stelle gerne ein „Selbstporträt des Künstlers anhand seiner Ateliers“ geschrieben. Über zwei, drei Sätze bin ich nie hinaus gekommen. Was meine Malerei aber auch beschreiben kann, ist eine Liste der Motive. Hier habe ich ein paar daraus aufgegriffen und lose assoziierend darüber geschrieben:

Palisaden
Palisaden sind Projektionsflächen sind Leinwände sind Bilder. Palisaden sind immer flach, ihre Flachheit (sie gleicht der Flachheit eines Reliefs) öffnet den Illusionsraum des Bildes — und die Vorstellung von etwas, was dahinter sein könnte, beispielsweise.
Was ist der Unterschied zwischen eingeschlossen und ausgeschlossen, von davor und dahinter?

Paysage symétrique
Symmetrie ist ein wiederkehrendes Merkmal meiner Kompositionen. Um einen Gegenpart zu der brüchigen Grunddisposition meiner Malerei zu setzen?
Ich arbeite schnell, manchmal hastig, oft stelle ich mir ein Bein beim machen, begehe mutwillig Fehler. Das Gelingen, das sich trotzdem einstellt, ist eine wichtige Kategorie. Nicht ein Können, das es mir erlauben würde, jedes Bild mehrfach zu wiederholen, sondern das Gelingen.
Bilder müssen brüchig sein, gerade noch so funktionieren, trotzdem funktionieren. Dann sind es gute Malereien.

Wellen
Mich interessiert an der Zweidimensionalität von Malerei das Widerspiel von Fläche und Raum — wenn die Illusion des Bildraums in die zweidimensionale Fläche des Bildgrundes kippt und wieder zurück und sofort.
Die Wellen sind ein materielles, malerisches Ereignis. Die Bewegung der Hand; die Geste, die die Farbe über die Fläche des Papiers ausbreitet.

Mauern
Kirkeby soll einmal gesagt haben (das las ich bei der Malerin Carole Vanderlinden) er beginne ein Bild, indem er eine Ziegelmauer malt, bis ein Loch in ihr erscheint und sich das Potential für eine Bild öffnet.

Fassaden
Aldo Rossis berühmte Schrift „Die Architektur der Stadt“ interessiert mich, seine Zeichnungen sowieso und genauso seine gebauten Architekturen. Seine Idee von Architektur als Archiv des kollektiven Gedächtnisses brachte mich dazu, Giotto in postmodernem Licht zu beleuchten.

Noch einmal Mauern
Philip Guston brachte mir die Formensprache der Comics und Cartoons näher. Ich liebe deren Effizienz. Bilder müssen ganz einfach gemacht sein. In diesem Sinne sind auch De Chiricos Bildfindungen der Sprache der Comics nahe. In beider Werk spielt das Motiv der Mauer eine wichtige Rolle.

Flammen (Nur die halbe Welt ist Teflon und Asbest)
Vielleicht sind die Flammen, auf andere Art als die Wellen, das Emblem des Malers Jörg Baier. Die versuchte Festschreibung im Bild und die Unmöglichkeit, sie festzuhalten.
Die Flammen sind aber auch das Ergebnis meiner Begeisterung für die Musik der Einstürzenden Neubauten und der Texte Blixa Bargelds im besonderen. Das Feuer, die Hitze, die Kernschmelze, die Explosion sind Themen, die oft in deren Texten besungen werden, sie lieferten mir oft beim Hören und Machen im Atelier neue Ideen für andere Bilder.

*Franz Kafka, aus den Oktavheften